Salto Vocale goes Latin
Begeistertes Publikum begleitet eine musikalische Reise nach Südamerika
20.7.2006 - Ralf Weichert
Wird es gelingen, einem Jungen Chor aus Württemberg südamerikanisches Feeling einzuhauchen? SALTO VOCALE, der Junge Chor im Liederkranz Eislingen, trat den Beweis an: Es ist möglich. Ganz bewusst hatten sich die Sängerinnen und Sänger des Chors nicht die Stadthalle als Podium für ihr Konzert gewählt, sondern den Saal des Luther-Gemeindehauses. Ein Sonnenuntergang am Meer, dominierend in der Bühnenmitte, flankiert von einer eigens hergestellten und an die Reklame einer mexikanischen Cantina erinnernden Leuchtreklame erzeugte eine clubbige Atmosphäre. Das von Rudi Merk liebevoll gestaltete das Bühnenbild fing das Publikum ebenso ein, wie die von Ehemännern und Töchtern einiger Sängerinnen betriebene Cocktailbar, die u.a. mit Capirinha und Mexican Scewdriver zu glänzen verstand. Am Samstagabend startete der Chor seine Reise.
Ulrike Schäffer, Vereinsvorsitzende und Salto-Sängerin, begrüßte nach der instrumentalen Einstimmung das Publikum im ausverkauften Saal und bot für den Abend gemischte Gefühle an. Nicht deshalb, weil der Chor seinem Auftritt ängstlich entgegensehen könnte, sie wies vielmehr auf die Vielschichtigkeit in der Gefühlswelt der südamerikanischen Seele in all ihrer Emotionalität hin. Das heißblütige Brasilien und das melancholische Argentinien als Gegensätze, die sich im Lauf des Programms anziehen sollten. Die instrumentale Begleitung und die musikalische Gesamtleitung lag, und auch dies ist man von SALTO VOCALE nicht anders gewohnt, in bewährten Händen. Chorleiter und Pianist Laurens Patzlaff versammelte mit Philip Noll (Bass) und Claudius Heinzelmann (Drums/Perc.) versierte Musiker um sich. Als „Blue Side“ ist die Band gern gesehener Gast in Eislingen oder wo immer die SALTO’s sonst Auftrittsverpflichtungen haben.
SALTO VOCALE wirbelte nun mit „Baraba Ba“ über die Bühne. Mitreißende Stierkampfatmosphäre fing das Publikum gleich ein, mit der teilweise in fließendem Spanisch anmoderierten „Serenata para la tierra de uno“ zeigte der Chor sogleich auch die gefühlte Gegensätzlichkeit zwischen überschäumendem Lebensgefühl und abgrundtiefer Traurigkeit. Beides mit großer Präsenz gebracht. Dies muss für das Gesamtprogramm gesagt sein, dass sich die Sängerinnen und Sänger sicher innerhalb ihrer unter Leitung von Birgit Richter einstudierten Choreographie bewegten und den Stücken damit größtmöglichen Ausdruck verliehen. Eine kurzweilige erste Hälfte wurde komplettiert durch Bandimprovisationen zum Konzertthema und das mit viel Witz vorgetragene Lied von der Küchenschabe „La Cucaracha“. Hier verwandelten sich die Sängerinnen zu Küchenmädchen und Hausangestellten, die in Südamerika scherzhaft genauso genannt werden. Dann noch einmal Melancholie mit dem Klassiker „The shadow of your smile“ einer im Bossa-Rhythmus gehaltenen Nummer, die ihren Ursprung jedoch nicht in Südamerika hat sondern im latinfaszinierten Amerika der 50er Jahre.
Ein weiterer Höhepunkt nun eine dreiteilige Salsa-Einlage von Andrea Zagaria und ihrem Partner Dominic Couchi. Nach dem Eröffnungstanz verwandelte sich die Bühne, natürlich nach anfänglichem Zögern, in eine Salsa-Schule. Fast wäre die Bühne zu klein geworden, standen doch mehr Konzertbesucher auf der Bühne als auf den Stühlen sitzen blieben. Spätestens jetzt hatte das Konzert jede Zuhörerin, jeden Zuhörer erreicht. Mit einer „Merengue“ verabschiedete sich das Tanzpaar von der Bühne und die Gäste an die Cocktailbar.
Nachdem Blue Side die Gäste für den zweiten Konzertteil eingestimmt hatte entführte der Chor, in Regenmäntel eingehüllt und mit Schirmen beschützt, sein Publikum aus dem regnerischen Teil der Welt in die Sonne Brasiliens. Indem man die Regenkleidung von sich warf und farbenfrohe Strandkleidung angelegt wurde, man Fähnchen und anderes WM-Material schwenkte wandelte sich das Stück. Fließend entwickelte sich die Musik von der Melancholie eines Regentages hin zum Lebensgefühl, das man nur in der Gegenwart von Wasser, Wind, Strand und tropischen Temperaturen entwickeln kann. Einfach „Journey to Brazil“, eine Reise nach Brasilien. Apropos, was wäre Brasilien ohne seinen Carnaval, die größte Kontaktbörse der Welt? Wie sehnt sich ein einsamer Musiker den Carnaval herbei, um vielleicht seiner großen Liebe zu begegnen? In „Black Orpheus“ geht es genau um dieses Thema. Und sieht man vielleicht ein geeignetes Objekt dann stellt es sich vielleicht als das „Girl from Ipanema“( herrlich cool verkörpert von Iris Günthner) heraus, das völlig selbstverliebt am Strand promeniert und von den schmachtenden Herzen der Männer so gar nicht erreicht wird. So oder so ist das Leben. Da muss man doch den Wind anbeten, der einem endlich die Richtige bringen soll. Ein erstklassig a capella auf Portugiesisch vorgetragenes Stück, das dem Publikum mit seiner Eindringlichkeit unter die Haut ging.
Nach einer weiteren Improvisation der glänzend aufgelegten Band zu dem Stück „Tequila“ dann die Schlussnummer „Tequila Samba“. Hier geht es darum, die Mädels so mit Tequila zu bearbeiten, dass sie dann beim Tanzen ihre Hemmungen verlieren. Von Strophe zu Strophe steigerte sich die Intensität des Vortrags und begeisterte das Publikum nochmals.
Viele Dankadressen, an die sich Uli Haas wendete. Das Choreographenteam, die Band, das „Girl from Ipanema“, die Barkeeper, den Bühnenbildner und schlussendlich an Michael Fiedler, der sich mit Einfallsreichtum und Tatkraft um Licht und Ton gekümmert hat. Natürlich kam der Chor seiner „Zugabe-Verpflichtung“ gerne nach. Nicht nur aktuell im Radio zu hören, sondern auch von SALTO VOCALE und wieder auf Portugiesisch „Más que nada“. Verdienter Applaus des restlos überzeugten Publikums zu der gezeigten Leistung. Ja, es funktioniert. Auch ein schwäbischer Chor kann südamerikanisches Feeling zaubern. SALTO VOCALE ist dies in einer einzigartigen Konzertatmosphäre gelungen. Und wenn es hier und da mit der Intonation einmal nicht funktioniert, was soll’s. Ausdruck und Souveränität im Auftreten machen es allemal wett. Chapeau, SALTO VOCALE!
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